Zu Gast in der Ruine
Revitalisierung des ehemaligen Jesuitenrefektoriums am Rosenhain
Masterarbeit von Stefanie Insupp
Eingereicht: 2021
Ruinen – Erinnerungen
Das Verlassen von Städten und das Aufgeben eines Bauwerks bringen zumeist Verfall mit sich, welchen wir schließlich als Ruine vorfinden. Der Wert einer Ruine, sowie der Umgang mit dieser besonderen Form der Architektur, veränderte sich seit der Geschichte des Menschen stehts weiter. Vor allem der Aspekt dieser besonderen Ästhetik wurde über die Jahrhunderte immer wieder aufgerollt. Während man Ruinen in der späten Antike noch einen ehrfürchtigen Wert zuschrieb, waren die verfallenen Bauten im Mittelalter ein gefundener Ort für den Abbau von Ressourcen, wodurch etliche geschichtsträchtige Bauten nicht nur durch die Witterung zerstört wurden, sondern komplett verschwanden. Wesentlich für den Wandel des Ruinenwertes ist dabei die geschichtliche Entwicklung der Stadt Rom.
Rom verlor mit Ende der Herrschaft des Römischen Reichs immer mehr an Bedeutung und konnte durch das Ausbleiben von Geld und Waren nicht mehr gehalten werden. Die Stadt begann langsam zu zerfallen. Als im 4. Jahrhundert vor Christus schließlich Byzanz die neue Hauptstadt der Region wurde, war Rom endgültig am Tiefpunkt seiner Geschichte. Ein Zitat des Sachbuchautors Wolf Schneider beschreibt diese Zeit demonstrativ wie folgt: „Auf den Straßen wuchs Gras, auf dem Forum weideten Kühe. Die restlichen Bewohner – es waren zeitweise kaum mehr als 1000 – gewöhnten sich an das Donnern einstürzender Paläste wie die Alpenbewohner an das Krachen der Lawinen.“
Als die Stadt wieder zum Zentrum der christlichen Gefolgschaft wurde, wuchs die Einwohnerzahl wieder heran und auch die Infrastruktur wurde wieder verbessert. Der eigentliche Plan, das antike Rom zu rekonstruieren wurde jedoch kurzerhand verworfen, da es schier unmöglich war den Wiederaufbau des Jahrhunderte alten Verfall zu bewerkstelligen. Damit wurde Rom zu einer Stadt, in der neu errichtete, monumentale Barockbauten dicht neben unzähligen Ruinen koexistieren. Diese neue Art der Stadt rückte die ruinösen Gebäude in den Fokus, wurden ein Sinnbild der Vergänglichkeit und boten eine ganz neue Spannung in der Architektur und dem Urbanismus. Auch in der Kunst wurde sie prompt zum Motiv: das „Ruinenbild“ entstand als neuer Begriff der Malerei. Als erstes datiertes Werk gilt der Holzschnitt von Francesco Colonna aus dem Jahr 1499, der eine trümmerhafte Szene Roms zeigt.
Nach einer langen Historie entdeckte die Öffentlichkeit, zumindest im westlichen Teil der Erde, schließlich den Inbegriff einer sentimentalen Ästhetik, als sie diese andere Art der Schönheit einer Ruine entzifferte. Sie wird zum Schauplatz für eine erlebbar gemachte Zeit, ein Gleichgewicht aus Gegenwart und lang vergangener Erinnerung. Als Orte der Reflexion lösten die gefallenen Bauten und Städte im Menschen Gefühle aus, welche Denkweise und Handeln einer ganzen Zivilisation beeinflusste. Denn diese entdeckte Spannung, lesbar als eine Art Zeichensprache der Vergangenheit, führte zur Auseinandersetzung mit den Themen Vergänglichkeit, Sehnsucht und Imperfektionismus. […]
Masterarbeit von Stefanie Insupp